Nikolas Stihl: Eine Akku-Produktion in Deutschland ist nicht wirtschaftlich
Exklusiv für bau.bi spricht Dr. Nikolas Stihl über die Hintergründe der neuen Produktionsstätte im rumänischen Oradea. Der Schritt wirft Fragen auf – nicht nur nach der Zukunft deutscher Standorte, sondern auch nach den Rahmenbedingungen für industrielle Fertigung in Europa.

Mit dem neuen Werk im rumänischen Oradea hat Stihl einen weiteren Meilenstein in seiner internationalen Fertigungsstrategie gesetzt. Während die Nachricht über den Produktionsstart für Aufmerksamkeit sorgte, bleiben die Beweggründe komplex: Warum investiert das Traditionsunternehmen in einen europäischen Standort außerhalb Deutschlands? Im exklusiven Interview erläutert Dr. Nikolas Stihl die wirtschaftlichen Überlegungen hinter dieser Entscheidung – und spricht offen über die Herausforderungen, mit denen deutsche Produktionsstandorte heute konfrontiert sind.
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Herr Dr. Stihl, Sie investieren mit dem neuen Werk in Oradea gezielt in einen europäischen Standort außerhalb Deutschlands. Welche Überlegungen haben bei dieser Standortentscheidung den Ausschlag gegeben?
Dr. Nikolas Stihl: Wir setzen seit Jahrzehnten sehr erfolgreich auf einen internationalen Fertigungsverbund und produzieren weltweit, wie beispielsweise Ketten in unserem Kettenwerk in der Schweiz, Vergaser in Asien oder Magnesium-Druckguss-Teile in der Eifel. Rund 90 Prozent der STIHL Geräte verkaufen wir außerhalb Deutschlands. So liegt eine Produktion nah am Markt auf der Hand. Europa ist der größte Akku-Markt für uns derzeit, deshalb war klar, dass wir eine neue Akku-Produktion zentral in Europa ansiedeln.
War dabei auch ein deutscher Standort im Gespräch – und falls nicht, warum?
Stihl: Die marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen stellen sich beim Akku anders dar als beim Verbrenner: der Wertschöpfungsanteil ist geringer, außerdem herrscht größerer Wettbewerb. Wir haben verschiedene Möglichkeiten eingehend geprüft und analysiert. In Deutschland haben wir aber mit den hinlänglich bekannten Standortnachteilen zu kämpfen. Eine Akku-Produktion in Deutschland in hohen Stückzahlen unter den gegebenen Rahmenbedingungen ist schlicht nicht wirtschaftlich.
Und bedeutet die Investition in Rumänien, dass andernorts Arbeitsplätze abgebaut oder verlagert werden?
Stihl: Die Werkseröffnung in Rumänien hat keine unmittelbare Auswirkung auf den Standort Waiblingen und die heute dort vorhanden Produktionsstrukturen. In Rumänien geht es insbesondere darum, Akku-Packs und Geräte in hohen Stückzahlen zu fertigen, um das künftige Wachstum, das wir im Akku-Segment erwarten, bedienen zu können.
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In Deutschland existiert bereits eine ausgeprägte industrielle Infrastruktur – mit qualifizierten Fachkräften, Zulieferern und Forschungsnetzwerken. Warum hat man sich dennoch entschieden, Know-how und Personal in Rumänien neu aufzubauen?
Stihl: Oradea bietet eine hervorragende logistische Anbindung, moderne Infrastruktur und Zugang zu hochqualifizierten Arbeitskräften. Und Deutschland kämpft, wie schon gesagt, mit Standortnachteilen wie Bürokratie, hohen Energiepreisen und auch höheren Lohnkosten. Die Entwicklung unserer Akku-Packs und Ladelösungen findet übrigens weiter in Waiblingen statt.
Der Aufbau eines neuen Werks bedeutet erhebliche Investitionen in Schulung und Qualifizierung. Wie gelingt es Ihnen, die Produktionsqualität und das Stihl-spezifische Fachwissen am neuen Standort von Anfang an sicherzustellen?
Stihl: So wie es uns bei allen Stihl Standorten rund um den Globus gelungen ist: mit einer engen und kooperativen Zusammenarbeit mit den Expertinnen und Experten im Stammhaus, einem guten Onboarding und intensiven Schulungen.
Viele deutsche Mittelständler ringen derzeit mit hohen Energiekosten und Fachkräftemangel. Sehen Sie das Werk in Oradea als strategische Antwort auf diese Herausforderungen – oder als Ergänzung zum Standort Deutschland?
Stihl: Rumänien ist eine Ergänzung unseres Fertigungsverbunds mit dem Schwerpunkt auf der Produktion von Akkupacks und hilft der gesamten Gruppe, die Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu sichern. Auch am Stammsitz in Waiblingen.
Herr Dr. Stihl, vielen Dank für das Gespräch.
Das neue Werk im Überblick
Investitionsvolumen: 125 Millionen Euro für den Aufbau des europäischen Produktions-Hubs für Stihl Akku-Technologie
Größe: 147.000 Quadratmeter, davon 47.000 Produktionsfläche – Kapazität von bis zu 1,8 Millionen Akku-Packs und 1,7 Millionen Akku-Geräten bis 2028
Beschäftigung: Rund 700 Arbeitsplätze bis 2028
Fertigungsverbund: Rumänien ergänzt den internationalen STIHL Fertigungsverbund als achtes Land
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