„Das Spannungsfeld zwischen Schutzleistung und Komfort wächst“
Steigende Temperaturen fordern neue Lösungen bei Schutzkleidung. Im Interview erklärt Marc Benscheidt, PSA-Experte bei CWS Workwear, wie sich Tragekomfort, Sicherheit und Nachhaltigkeit vereinen lassen – und warum Hitzeschutz längst fester Bestandteil moderner Multinorm-Kleidung ist.


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B_I baumagazin: Herr Benscheidt, in den vergangenen Sommern wurde es auf Baustellen oft über 35 Grad heiß. Wo stößt klassische Schutzkleidung da an ihre Grenzen?
Marc Benscheidt: Ja, das ist tatsächlich ein Thema, das uns im Zuge des Klimawandels immer stärker beschäftigt. Die extremen Temperaturen auf den Baustellen nehmen zu und damit wird auch das Spannungsfeld zwischen Schutzleistung und Tragekomfort immer größer. Unsere Aufgabe bei CWS Workwear ist es, PSA zu entwickeln, die beides leistet: normgerechte Schutzleistung zum Beispiel vor thermischen Belastungen und UV-Strahlung – Stichwort weißer Hautkrebs – und gleichzeitig einen hohen Tragekomfort, auch bei extremen Wetterbedingungen.
Deshalb ergänzen wir die klassische Schutzfunktion gezielt um Cooling-Effekte und integrierten UV-Schutz. Wir arbeiten mit leichten, atmungsaktiven Materialien und setzen auf dunkle Farben wie Schwarz oder Blau, die der Sonneneinstrahlung entgegenwirken. Im Bauumfeld kommt zudem häufig Warngelb zum Einsatz – hier müssen Sicherheit, Sichtbarkeit und Komfort optimal austariert werden.
Mehr Waschzyklen, mehr Verantwortung
Höhere Temperaturen bedeuten mehr Schweiß, häufigeres Waschen – wie wirkt sich das auf Haltbarkeit und Schutzwirkung der Kleidung aus?
M. Benscheidt: Das ist ein wichtiger Punkt. Mehr Waschzyklen bedeuten natürlich mehr Belastung für das Material. Die größte Herausforderung ist der Abrieb, der sowohl im Einsatz als auch durch häufiges Waschen entsteht. Deshalb durchläuft jedes Kleidungsstück in unseren zertifizierten Wäschereien einen strukturierten Wiederaufbereitungsprozess mit Funktionsprüfung. Wenn etwas repariert werden kann, machen wir das normkonform – ansonsten tauschen wir das Teil aus. So bleibt die Schutzleistung über den gesamten Lebenszyklus erhalten.
Mehrschichtiger Schutz im „Dachziegelprinzip“
Wie lässt sich Schutzkleidung so gestalten, dass sie zugleich vor Hitze und anderen Risiken – etwa Flammen oder Chemikalien – schützt?
M. Benscheidt: Hier wird es komplex, denn Anforderungen können sich widersprechen. Gemeinsam mit unserem Partner DuPont setzen wir auf Gewebe wie ProFlex4, das auf Nomex- und Viskosefasern basiert. Der UV-Schutz wird bereits beim Grundgewebe geprüft. Wir führen verschiedene Schutzklassen, abgestimmt auf den jeweiligen Einsatzbereich. Gemeinsam mit dem Kunden arbeiten wir entlang einer PSA-Checkliste, um die konkreten Anforderungen und das geeignetste Material zu definieren. Dabei denken wir nach dem „Dachziegelprinzip“: Schutz wirkt durch das Zusammenspiel mehrerer Eigenschaften, die sich überschneiden und ergänzen, vom Chemikalienschutz über abperlende Oberflächen bis zu mechanischer Belastbarkeit und Sichtbarkeit. Dadurch stellen wir sicher, dass die PSA im Gesamtsystem zuverlässig funktioniert.
Multinorm-Kleidung: Balance zwischen Gewicht und Schutz
Viele Bauunternehmen sagen: Multinorm-Kleidung ist zu schwer und zu warm. Welche Kompromisse müssen Hersteller eingehen?
M. Benscheidt: Genau hier liegt die Herausforderung. Je dünner das Gewebe, desto eher kommt es zu einer „Verjüngung“, das heißt, das Material wird mit der Zeit nachgiebiger. Für Outdoor-Arbeiten mit viel mechanischer Belastung empfehlen wir eine Grammatur ab 300 g/m². Dabei verbessern höhere Stretchanteile den Tragekomfort und unterstützen die Bewegungsabläufe. Ein Beispiel ist unsere Multinorm Standard mit 320 g/m² und rund 80 Prozent Naturfaser sowie einem hohen Baumwollanteil für mehr Atmungsaktivität. Multinorm-Varianten gibt es grundsätzlich mit Grammaturen von 160 bis 500 g/m². Diese schwerere Kleidung kann jedoch zu Ermüdung und Hitzestress führen. Deshalb achten wir auf temperaturregulierende Eigenschaften, die den Hitzestress aktiv abbauen.

Praxisnähe: Neue Gewebe und Tragetests
An welchen Konzepten arbeitet CWS Workwear konkret, um PSA hitzetauglicher zu machen?
M. Benscheidt: Ein Beispiel ist unser „Industry BiColour ProKnit“ für das Bauumfeld. Zwei Varianten – eine mit höherem Baumwollanteil und eine sportlichere – ermöglichen individuelle Anpassung an die Träger und Trägerinnen. Wir führen regelmäßig Tragetests mit unseren Kunden durch und setzen Feedback direkt um. Aktuell arbeiten wir zum Beispiel an einer neuen temperaturregulierenden Entwicklung, die noch wirksamer vor Hitzestress schützen soll.
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Wie sollten Bauunternehmen mit der wachsenden Hitzebelastung umgehen – reicht die Anpassung der Kleidung?
M. Benscheidt: Das Baugewerbe hat das Thema Hitze- und Sonnenschutz mittlerweile deutlich priorisiert. Viele Unternehmen reagieren bereits auf die steigende Hitzebelastung im Sommer und setzen entsprechende Maßnahmen um. Dazu zählen Sonnenschutzprodukte wie spezielle Sonnencremes und Kopfschutz aus UV-schützenden Materialien. Häufig werden zusätzlich langärmelige, leichte Shirts mit UV-Schutz bereitgestellt, um die Mitarbeitenden wirksam zu unterstützen. Sicherheit und Gesundheit haben höchste Priorität.
Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft
Wird Hitzeschutz künftig ein fester Bestandteil jeder Multinorm-PSA – und welche Rolle spielt Nachhaltigkeit dabei?
M. Benscheidt: Hitzeschutz ist bei uns schon seit Jahren Standard, aber der Klimawandel verschärft die Anforderungen natürlich weiter. Jedes Kleidungsstück wird bei uns mit einem DataMatrix-Code gekennzeichnet, über den wir Waschzyklen, Alter und Beschädigungen dokumentieren. Durch eine professionelle Reinigung, fachgerechte Aufbereitung und regelmäßige Funktionsprüfungen verlängern wir den Lebenszyklus erheblich und sichern die Schutzleistung über die gesamte Nutzungsdauer, auch bei höheren Waschfrequenzen durch mehr Hitzetage.Zudem setzen wir auf nachhaltige Materialien wie Lenzing-Viskose aus Buchenholz und recyceltes Polyester aus PET-Flaschen – bis zu 34 Flaschen pro Kleidungsstück. Diese Materialien müssen nicht nur nachhaltig sein, sondern auch die thermischen Anforderungen erfüllen. Aktuell werden bereits 55 Prozent unserer Textilien am Ende ihres Lebenszyklus wiederverwertet. Unser Ziel ist es, eine ganzheitliche End-of-Life-Infrastruktur in Europa zu etablieren, um Textilressourcen im Kreislauf zu halten.
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